Kamera Gewicht
Polaroid
vor allem weiss 1982   50 Polaroids,  A3-Papier mit Schrift,  gerahmt je 31 x 43,5 cm  , total 158 x 438 cm   Besitz: Kanton Luzern, Depositum im Kunstmuseum Luzern
Erste Polaroids entstanden im Zusammenhang mit den frühen
Performances. Der Künstler setzte sich selbst ins Bild. Er
wollte sofort ein Resultat sehen, darauf reagieren können
und nahm deshalb die Polaroidkamera zur Hand. Bald fand
er Gefallen an ihrer eigentümlichen Ästhetik. Und es entstanden
eigenständige Arbeiten, die humorvoll und poetisch
sind und von der Lust an neuen Bildfindungen zeugen.
Im 50teiligen Block vor allem weiss sind einfache Alltagsgegenstände
– Küchenutensilien, Gemüse, Klebestreifen,
ein Hut oder Stiefel – vor einer Zimmerecke zu kleinen Stillleben
arrangiert. Der Hintergrund ist milchig weiss, die meisten
Bilder sind leicht überbelichtet. Der Werktitel bezieht
sich auf diese spezifische Farbigkeit, die Rütimann zum Teil
noch verstärkte, indem er Mehl über die Arrangements puderte.
Später inszeniert er seine Bildgeschichten im Schnee.
Neben jedes der 50 Polaroids ist eine Bildlegende gesetzt.
Ganz ernst zu nehmen ist sie nie. Lockere Sprüche
folgen auf Poetisches, eine Redewendung auf eine allzu wörtliche
Beschreibung. Eine Säge ragt aus einem Blumenstrauss
heraus, daneben liest man: «durch die Blume gesagt». Zum
Begriff «Sieben» hängen sieben Küchensiebe an der Wand.
Ein Cellophan wird zum «Aeroplan», ein Wiegemesser spielt
auf einer Notenlinie ein «Wiegenlied». Und das aufgeschlagene
Buch neben einem belaubten Zweig ist mit «einige Blätter
und ein Zweig» überschrieben.
VOR ALLEM WEISS
Der Künstler ist der Doppelbödigkeit der Sprache auf
der Spur. Er untersucht, wie sich Bild und Text gegenseitig
beeinflussen, wie wir uns bei der Bildbetrachtung von der
Sprache leiten lassen, uns an ihr orientieren, um Sinn zu
erzeugen. Da wird man bei Rütimann immer wieder überrascht
oder vor den Kopf gestossen.
In einer dreiteiligen Arbeit von 1984/85 stehen Text
und Bild nicht nur nebeneinander. Der Text wird zum Bildthema
– mit allen Utensilien, die es braucht, um ihn zu verfassen.
Ein Tintenfass der Marke Pelikan, Federn und Papier
werden in ihrer Doppeldeutigkeit in Szene gesetzt: «Der Pelikan
gehört vom Sinn her unbedingt zum See, die Federn
sowohl zum Langhalsvogel als auch zur Schreibfeder, die
Flecken gehören vom Sinn (und auch von ihrer Wirklichkeit)
her zu den Tintenpfützen.»1 Einem Vogel ging es an den Kragen.
Nur einige Federn sind geblieben, und nun steckt der
Kiel ganz schön in der Tinte. Diese breitet sich zur Seenlandschaft
aus, zu Flecken die rein nichts bezwecken. Nichts weiter
als Tintenkleckse also. Auf dem nächsten Bild wird dagegen
die Macht von Worten vor Augen geführt. Ein ganzes Arsenal
aus Federn liegt am dunklen Tintensee ausgebreitet, der sich
in Form einer Pistole krümmt. Eine Erinnerung daran, dass
Worte zu Waffen werden können.

1 Zsuzsanna Gahse, in: Luzern 2000,
Schnee wird in den Polaroids zur konturlosen Bühne, auf der
kleine Kammerstücke inszeniert werden. Kulissen aus Stäbchen,
Draht und Papierschnipseln sind hineingesteckt. Statisten
aus ausgeschnittenen Fotografien oder Papier treten
auf, oft der Künstler selbst. Er verstrickt sich in fantastische
Bildgeschichten, gibt dem Betrachter Bilderrätsel auf, die
mit Querverweisen auf die eigene Arbeit, aber auch auf Kulturgeschichte und Politik gespickt sind.
POLAROIDS
1 Das Polaroid Holz (In God We Trust) zeigt einen
Ausschnitt aus dem Plenarsaal des Repräsentantenhauses
Linien 2000    Cibachrome ab Polaroid, auf Aluminium kaschiert   82 x 80 cm   Auflage 5
Pelikan und Gefieder 1984/85 Cibachrome ab Polaroid, gerahmt
83,5 x 78,5 cm Auflage 5
Flecken die rein nichts bezwecken 1984/85 Cibachrome ab Polaroid, gerahmt
83,5 x 78,5 cm Auflage 5
Waffenlager am Tintensee 1984/85 Cibachrome ab Polaroid, gerahmt
83,5 x 78,5 cm   Auflage 5
Ohne Titel    Aus 42teiliger Serie 1995 C-Print ab Polaroid, auf Aluminium kaschiert
83 x 81 cm     Auflage 6
Im Jahr 2000 entstand eine ganze Polaroidserie mit
Holz, das sich mit seiner fasrigen Struktur vom körnigen
bläulich-weissen Untergrund des Schnees abhebt. Die Holzscheite
fungieren als Träger der Zeitungsausschnitte, die angeklebt
oder angelehnt werden. Und sie dienen als Referenz
für die Grössen- und Kräfteverhältnisse, die Rütimann immer
wieder auf den Kopf stellt. Oberkörper, Bein und Arm
wachsen aus dem Holz heraus; ein Skifahrer hält sich dank
Mikado-Stäbchen über dem Abgrund; und ein muskulöser
Oberkörper, der einer Zeichnung Leonardo da Vincis entsprungen
ist, zieht kräftig an einem Ast, während er von
Holzsplittern aufrecht gehalten wird. Im amerikanischen
Kapitol gestikuliert ein kopfloser Präsident vor einem Hölzchenhaufen
mit Säulenfragment.1 Und hinter einem Scheit
stützt die Operndiva Maria Callas zweifach ihren Kopf auf –
eine Erinnerung an eine Kakteen-Performance von 1987 mit
Arien der Callas im Kunsthaus Zürich?2 Auch weitere Polaroidaufnahmen
thematisieren die Musik. Das Streichquartett
und der Dirigent, dessen Taktstöcke im Schnee feststecken,
zählen zu den ersten Nachtaufnahmen. Vor dem Schwarz-
Weiss-Kontrast von Nacht und Schnee spielen sich surreale
Szenarien ab, so zum Beispiel die Invasion von Sonnenbrillen
Nasen, die sich wie ein Schwarm Schmetterlinge auf dem
Schnee niederlassen.

Holz  (An Ihnen bleibe ich dran) 2000
Holz  (In God We Trust) 2000
Holz  (Callas) 2000
Holz  (mit Skifahrer) 2000
Holz  (Arm und Fuss) 2000
Holz ( Treppe und Leiter) 2000
Holz  (mit Zeichnung) 2000
C-Print ab Polaroid, auf Aluminium kaschiert 82 x 80 cm Auflage 6
Brillen   2000 Cibachrome ab Polaroid, auf Aluminium kaschiert 122,5 x 141,5 cm Auflage 4 + 1
Dirigent   2000 Cibachrome ab Polaroid, auf Aluminium kaschiert 82 x 80 cm Auflage 5
© 2013 Christoph Rütimann
Christoph Rütimann
© 2013 Christoph Rütimann
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